In großer Sorge um unsere demokratische und solidarische Gesellschaft
Die Geschichte hat uns gezeigt, wie fragil und verletzlich Demokratien sind. Schleichend aber systematisch suchen sich autoritäre Gedanken ihre Wege durch die Institutionen. Durch Vereinfachen, durch das Brechen von Tabus und durch das Anstacheln von Emotionen schaffen sie bei vielen Menschen ein Gefühl von Echtheit und Authentizität. Die Gegner der offenen Gesellschaft scheinen mutig und spontan zu sein, sind aber in Wirklichkeit nur skrupellos, zynisch und berechnend. Aktuell bedrängende, aber lösbare Probleme wie die Flüchtlingskrise werden von ihnen nur als Vorwand benutzt, einen anderen, einen autoritären Staat zu schaffen.
Natürlich muss auch ein liberaler und demokratischer Staat Stärke zeigen, dies hat uns nicht zuletzt der Untergang der Weimarer Republik gelehrt. Der Staat muss in allen Belangen die Gestaltungshoheit der inneren und äußeren Sicherheit behalten und diese manchmal auch mit unpopulären Maßnahmen durchsetzen. Niemals aber darf er dabei seine eigenen Grundprinzipien verletzen. Willkür und Einschränkung der bürgerlichen Rechte zerstören unsere humanitäre Gesellschaft und führen geradewegs in den Totalitarismus.
Einige unserer Nachbarländer haben leider diesen unheilvollen Weg bereits beschritten. Nur unsere wirtschaftliche Stabilität hat uns bisher davor bewahrt. Sie ist aber kein dauerhaftes Schutzschild. Personifizierter Hass gegen einzelne Gruppen unserer Gesellschaft und verfälschte Informationen schaffen Legenden, die sich selbst verstärken und wie Wanderdünen jede realistische und differenzierte Betrachtung unter Bergen von Unwahrheiten und Gerüchten verschwinden lassen. Das macht es den Demagogen leicht und den Nachdenklichen so schwer. Wie deutlich muss es uns die Geschichte noch lehren? Nationalistischer Hass führt zur Spaltung im Inneren und zum Krieg im Äußeren.
Den Teufel treibt man nicht mit dem Beelzebub aus. Wer sich auf die Inhalte und Symbolpolitik einer AfD und ähnlicher Gruppierungen einlässt, wird irgendwann nicht mehr von ihr zu unterscheiden sein. Gerade unsere konservativen Parteien tragen hier eine große Verantwortung alle Graubereiche zu vermeiden und sich klar abzugrenzen. Jeder Ruck nach Rechts schafft keine Wählerstimmen, sondern vergrößert den Raum der Radikalen. Ein bisschen radikal in der Politik geht ebenso wenig wie ein bisschen echt bei einem Rembrandt. Sind Anstand und schützende Tabus erst einmal über Bord gegangen, holt sie keiner mehr zurück. Die Verrohung der politischen Sprache und die Relativierung des nationalsozialistischen Unrechtsstaates sind sensible und entlarvende Seismographen für diese Erosion des Humanen.
Verdruss über bestehende Politik und ihre Entscheidungen mag berechtigt sein, aus Protest aber den eigenen Untergang zu wählen, ist vollkommen irrational. Nur von etwas weg zu wollen ist keine Lösung. Jeder möge sich überlegen, ob man in einem Staat leben möchte, in dem populistische Politiker Demokratie und Rechtssicherheit, Meinungs- und Pressefreiheit als liberalen Luxus bezeichnen – allesamt Errungenschaften der Aufklärung, die sich unsere Vorfahren mit dem eigenen Leben erkämpft haben. Errungenschaften, die den wirtschaftlichen Erfolg und die Lebensqualität in unserem Land erst möglich gemacht haben.
Schweigen wir nicht in unseren Freundeskreisen und Stammtischen, beziehen wir Position in unseren Gremien. Geben wir der schweigenden Mehrheit eine Stimme. Geschichte wiederholt sich zwar nicht, aber sie reimt sich, dieses Wort wird Mark Twain zugeschrieben. Er hatte wohl Recht damit.
Diesen Brief haben rund achtzig Persönlichkeiten unterzeichnet, die im Landkreis Dachau leben oder mit ihm verbunden sind. Sie sind engagierte Personen im kulturellen, wirtschaftlichen, kirchlichen und medizinischen Bereich unserer Zivilgesellschaft. Um den Brief aus dem aktuellen Wahlkampf herauszuhalten, haben politische Mandatsträger nicht an der Aktion teilgenommen, obwohl viele von ihnen den Text mit Überzeugung unterzeichnet hätten. Wer sich mit dem vorliegenden Brief solidarisieren möchte, kann dies ab sofort unter folgender Email-Adresse tun: insorge2018@gmail.com
Unterschreiber Offener Brief 2018
Prof. Dr. Sybille Steinbacher
Dr. Jürgen Zarusky
Prof. Dr. Annette Eberle
Dr. Birgitta Unger-Richter
Dr. Norbert Göttler
Dr. Annegret Braun
Prof. Dr. Wilhelm Liebhart
Prof. Dr. Helmut Beilner
Anna Andlauer
Thomas Schlichenmayer und Hedi Esters
Dr. Irmgard Jehle
Michaela Maria Müller
Helmut Größ
Hildegard Windholz
Edi Hörl
Wolfgang Möckl
Johannes Karl
Sebastian Feldhofer und Bettina Redlich
Rosmarie Schmid-Münster
Norbert Kiening
Margot Krottenthaler
Kathrin Krückl
Felix Plahl
Herbert Müller und Hoftheater Bergkirchen
Renate Zauscher
Heinz Neumaier
Klaus Eberlein
Heinz Eder
Walther Hoch und Petra Hoch-Dosch
Gaby und Helmut Metzger
Martin Off
Thomas Müller (Sumitomo)
Dr. Christian und Inge Hofer
Franz Baur
Wolf-Rüdiger und Ingeborg Lange
Dr. Katharina Osterauer und Matthias Schilcher
Sophia von Trebra-Lindenau
Carola Hain Fischer und Martin Fischer
Reinhard Jahn
Dr. Gotthard und Johanna Dobmeier
Pfr. Josef Mayer
Heidi Schaitl
Irmi Haas
Dr. Wolfgang Sturm
Pfr. Wolfgang Borm
Prof. Dr. Herbert Kaltner
Pfr. Michael Bartmann
Diakon Raimund Richter
Prof. Dr. Ludwig Mödl
Ludwig Schmiedinger
Anneliese und Alfred Bayer
Christian Weisner
Diakon Klaus Schulz
Andreas Kreutzkam
Annerose Stanglmaier
Anton Jais
Jochen Sommer
Gabriele Oswald-Kammerer
Anton Wagatha
Peter Heller
Ernst Spiegel
Waltraud Wolfsmüller
Angelika Eisenmann
Roswitha und Dr. Hans von Engel
Dr. Jürgen Schreiner
Dr. Jürgen und Ingeborg Müller-Hohagen
Dr. Dr. Carola Wagner-Manslau
Dr. Ina Pöhlmann