Radikales Profil (7) Soziale Sicherheit

03. Juli 2019

Nicht nur innere und äußere Sicherheit sind Anforderungen an staatliche Fürsorgepolitik. Dazu gehört zweifelsohne die soziale Sicherheit.

Wenn die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission Gesine Schwan ihre Bereitschaft erklärt, für den Parteivorsitz zu kandidieren, so sei erinnert an ihren Beitrag, den sie im Februar 2017 für die Zeit schrieb. Titel und Untertitel lauten:

"Umkehren, Genossen! Die SPD kann nur AfD-Wähler zurückgewinnen, wenn sie eingesteht, dass die Agenda 2010 in Teilen ein Irrweg war. Sie hat zu Ungerechtigkeit und Unsicherheit geführt."

Gesine Schwan erklärt zunächst die Motive der AfD-Anhänger:

"Sie fühlen sich nicht angemessen anerkannt und wertgeschätzt, empfinden einen massiven Macht-, Zugehörigkeits- und Kontrollverlust in ihrer Arbeits- und Lebenswelt, und sie haben Angst vor der Zukunft. Aus jahrelang angestauten Enttäuschungen wächst das Bedürfnis, die entstandene Wut durch Ressentiments gegen Schwache und Sündenböcke abzureagieren."

Aufgabe der SPD sei es dagegen, diesem Kontrollverlust zu begegnen und den Verlust politischer und persönlicher Freiheit zu bekämpfen sowie diese wieder dem Regulierungs- und Schutzbereich des Staates anzuvertrauen. Staatliche Politik sei, so Schwan, weitgehend durch den Markt ersetzt worden, Privatisierungen und Wettbewerb seien Elemente der Wirtschaft, aber nicht der Gesellschaftspolitik.

Und Gesine Schwan sagt es sehr deutlich:

"Hartz IV war der größte Fehler [...] Denn Sozialdemokraten haben sich an der beschriebenen Entwicklung beteiligt. Darin liegt das entscheidende Glaubwürdigkeitsproblem der SPD, wenn sie jetzt eine Abkehr vom Neoliberalismus und mehr Gerechtigkeit fordert. Denn anders als bei Konservativen und Marktradikalen findet sich ein wichtiger Teil ihrer Wählerschaft bei denen, die in diesem Prozess verloren haben und sich abgehängt fühlen."

Und sie fordert, Fehler einzugestehen und zu korrigieren, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen:

"Neben der Nichteinführung des Mindestlohns lag der wichtigste Fehler der Agenda 2010 darin, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld II auf niedrigem Niveau einzuführen, mit all den demütigenden Auflagen, z. B. das Angesparte offenzulegen und vor der staatlichen Unterstützung zu verbrauchen. Den Arbeitslosen wurde de facto die Schuld für Ihre Arbeitslosigkeit zugeschrieben. Das war eine bis heute anhaltende tiefe Kränkung. Hier muss die SPD aussprechen, dass dies ungerecht und falsch war, um die betroffenen Menschen zurückzugewinnen. Die Hartz-IV-Regelung verunsichert auch weite Teile des Mittelstandes, die ebenfalls fürchten, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit sozial abzustürzen."

Die oft geforderte und angekündigte inhaltliche Erneuerung der SPD muß diesen Empfehlungen folgen. Ich kann mir vorstellen, dass der junge Juso-Vorsitzende Kevin Künert gemeinsam mit Gesine Schwan diesen Grundsätzen inhaltliche Programmatik folgen läßt.

Ludger Elmer

Teilen